Information zur Kritik des parlamentarischen Staatssekretärs Dr. Krings und dem vermeintlichen Missbrauch des §45b PStG (dgti vom 19.03.2019)

Dr. Günter Krings, parlamentarischer Staatssekretär im BMI äußerte in der FAZ vom 14.03.2019,

»er finde es bedenklich, wenn die von Geburt an schwierige Situation intersexueller Menschen und die für sie richtigerweise personenstandsrechtlichen Regeln nun von einzelnen Vertretern einer anderen Gruppe ausgenutzt werde.«

Ärzte könnten sich strafbar machen, wenn sie die Bescheinigungen für die Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag für trans*Menschen ausstellten, betonte Krings.

Dr. Krings äußert sich in seiner Funktion als parlamentarischer Staatssekretär politisch und verlässt dabei seinen eigenen Kompetenzbereich. Es ist die Fachkompetenz eines jeden Arztes Diagnosen und Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen gemäß dem hippokratischen Eid zu treffen. Deren Entscheidungen hat auch ein Staatssekretär nicht in Frage zu stellen und schon gar nicht als Straftat zu deklarieren. Wir weisen die Äußerungen Krings‘ aufs Schärfste zurück.

Eine parlamentarische Anfrage hat ergeben, dass das BMI mit „eigenen Experten“ und damit gegen den Rat der Interessenverbände, den Empfehlungen des Deutschen Ethikrates, den Ergebnissen der interministeriellen AG des BMI und BMFSFJ ein Gesetz formuliert hat, welches bereits im Vorfeld massiv kritisiert wurde. Es wurde mehrfach angemahnt, dass der Gesetzesentwurf weder den Bedürfnissen Betroffener noch dem Urteil des BVerfG gerecht wird. Es handelt sich also um einen Versuch mit einer Angstpolitik von eigener Unfähigkeit abzulenken um sich aus der Verantwortung zu ziehen. Zusätzlich wird ein Keil zwischen die sonst vereinte Trans- und Intercommunity getrieben, die seit Jahren gemeinsam ein Recht auf Selbstbestimmung fordert.

Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt, zuletzt in seinem Beschluss 1 BvR 2019/16 klargestellt, dass die geschlechtliche Identität aller Menschen, auch wenn sie nicht männlich oder weiblich ist, durch das Grundgesetz geschützt ist und verdeutlicht, dass weder staatliche Interessen noch jene Dritter dem Recht auf Anerkennung einer nicht-binären Geschlechtsidentität entgegenstehen. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass die einzige Voraussetzung für eine Zuordnung zu einem Geschlecht die selbstbestimmte Erklärung eines jeden Individuums ist, ohne Einschränkungen auf die körperliche Konstitution (s.a 1 BvR 3295/07). Ebenfalls wurde klar formuliert, dass Geschlecht auch von sozialen und psychischen Faktoren mitbestimmt wird, was Transidentität ausdrücklich mit einschließt.

Dr. Krings übersetzt mit seinem Kommentar „Varianten der geschlechtlichen Entwicklung“ in einer Weise, die den §45b PStG verfassungswidrig machen würde, weil er Transpersonen explizit ausschließen möchte. Das BMI hat deswegen offensichtlich bewusst darauf verzichtet in den Gesetzestext eine Definition dieser Varianten einzufügen. Die von Krings erwähnte Chicagoer Konferenz von 2005 wird an keiner Stelle des Beschlusses 1 BvR 2019/6 erwähnt. Aus einer nicht vorhandenen Definition mit einem nicht vorhandenen Bezug auf eine rechtlich nicht bindende Definition einer med. Leitlinie oder einer Ärzt_innenkommission einen Straftatbestand zu konstruieren ist nicht nur paradox, sondern der Gipfel an Diskriminierung.

Sich das für einen bestimmten Personenkreis möglichst negative herauszupicken hat in Deutschland System. Während gesetzliche Krankenkassen medizinische Leitlinien, die für transidente/transsexuelle Menschen günstiger wären bislang nicht akzeptieren, sollen andere Leitlinien, nämlich die zur „Varianten geschlechtlichen Entwicklung“ rechtlich bindend sein? Dieser Versuch trans- und intersexuelle Menschen zu spalten wird scheitern.

Wir möchten Ärzt_innen die Angst nehmen, die Dr. Krings verbreitet und daran erinnern ihren Entscheidungsfreiraum auch zu Gunsten der Selbstbestimmung transidenter/transsexueller Menschen auszuschöpfen um deren Leidensdruck zu mindern. An Standesbeamt_innen appellieren wir, eindeutige Formulierungen im Gesetzestext anzuwenden und keine Diagnosen o.ä. nachzufordern, da diese ausdrücklich vom Gesetz nicht verlangt werden.


Quelle: www.dgti.org

https://www.dgti.org/images/pdf/Information_45b_PStG.pdf