Die Pä/Vä nach §45b PStG war für mich eine Befreiung.

Meinen Erfahrungsbericht schreibe ich ziemlich genau ein halbes Jahr nach der erfolgten Personenstands- und Vornamensänderung nach § 45b PStG. Nach diesem halben Jahr fällt die Bilanz grundweg positiv aus. Die Pä/Vä nach § 45b PStG war für mich eine Befreiung. Sie hat es mir ermöglicht, als das zu leben, was ich bin – als Frau. Mit dem Transsexuellengesetz (TSG) wäre das für mich nicht möglich gewesen, da ich einen selbstbestimmten Weg gehen wollte und auch nicht den üblichen Weg gegangen bin.

Nach mehr als zehn Jahren inneren Kampf und Verstecken habe ich mich im Sommer 2018 entscheiden, zukünftig offen als Frau zu leben. Meine Entscheidung war so klar und gefestigt, dass ich mir von niemanden hineinreden lassen wollte. Eine psychotherapeutische Begleitung kam für mich nicht in Frage. Die Hormontherapie habe ich in Selbstmedikation begonnen.

Was fehlte, war weniger die soziale, dafür aber die rechtliche Anerkennung als Frau. Für eine Änderung von Personalausweis, Führerschein, Bankkonto, Krankenkassenkarte etc. ist im Zweifel nun Mal eine Personenstandsänderung erforderlich. Wegen der Fremdbestimmung durch Richter und Gutachter war der Weg über das TSG für mich nicht möglich. Ich hätte bis 2022 gewartet, wenn dann spätestens durch die ICD 11 bedingt das TSG hätte geändert werden müssen.

Aber zum Glück gab es seit Jahresanfang des geänderte Personenstandsgesetz. Ich hatte kein Problem damit, dass mir mein Hausarzt, der mich als transidenten Menschen kennt, ein Attest über das Vorliegen einer Variante der Geschlechtsentwicklung ausstellt. Mein Hausarzt hatte auch kein Problem damit. Mitte Februar war der § 45b PStG in vielen Standesämtern allerdings noch nicht angekommen. In meinem zuständigen Standesamt musste ich erst noch Aufklärungsarbeit leisten, dann ging es aber problemlos. Eine große Hilfe war dabei der Leitfaden des LSVD.

Danach klappte alles weitere mehr oder weniger reibungslos, wenn man von den Anlaufschwierigkeiten einer neuen Gesetzeslage absieht. Das Einwohnermeldeamt kämpfte mit der fehlenden EDV-Schnittstelle, gab sich aber alle Mühe, mir zu einem neuen Ausweis zu verhelfen. Führerschein ändern war kein Problem. Bei der Rentenversicherung war der § 45b PStG noch nicht angekommen, die RV wollte den Gerichtsbeschluss haben. Nach Aufklärung und zehn Wochen Warten hat es im zweiten Anlauf geklappt. Meine Krankenkasse (Barmer) hat allein auf Basis der Bescheinigung nach §46PStV sofort meine Daten und Karte geändert. Die Umstellung bei Banken, Versicherungen etc. verlief problemlos, wenn man davon absieht, dass eine „Bescheinigung nach erfolgter Geschlechtsumwandlung“ (Comdirect) angefordert wurde. Ich kann also wirklich nicht klagen, und habe mir jede Diskussion um die Anerkennung des DGTI-Ergänzungsausweises gespart.

Ich bin nach wie vor nicht in psychotherapeutischer Begleitung und habe keine Diagnose F64.0, bekomme von meinem Endokrinologen aber anstandslos die Hormone verschrieben. Möglicherweise weil ich rechtlich eine Frau bin, und eine Estradiol-Verordnung für Frauen in meinem Alter (57) nicht ungewöhnlich ist. Die Krankenkasse hat auch nicht gemuckt.

Kurzum: Die Pä/Vä nach §45b PStG hat mir ermöglicht, selbstbestimmt und unkompliziert zu leben, wie ich bin. Möglicherweise kam mir die Gunst der frühen Stunde vor dem Seehofer-Störfeuer zu Gute. Ich würde es dennoch auch heute wieder so machen und um mein Recht kämpfen.

Auf das mit dem TSG verbundene Offenbarungsverbot kann ich übrigens gut verzichten, weil ich 1. zu meiner Transidentität stehe und 2. in meinen Alter das Passing niemals so sein wird, dass es nicht doch offensichtlich ist.

Verfasserin dem Admin bekannt

anonym
Ochtrup / NRW