Seit dem Rundschreiben des Bundesinnenministeriums sind Standesämter, Arztpraxen und Personen, die den §45b PStG nutzen wollen verunsicherter als vorher. Der Gesetzgeber trägt nicht zur Aufklärung bei, sondern nutzt die selbst erzeugte Situation um vom eigenen Fehler abzulenken und noch mehr Verwirrung zu stiften. So wurden „Rückabwicklungen“ angekündigt und Ärzten Angst eingeflößt sie würden sich strafbar machen.
Welche Auswirkungen das auf alle Beteiligten hat soll an ein paar Beispielen dargestellt werden:
Fall 1:
Eine Stadt in Bayern hat eine Person nach dem §45b PstG falsch beraten und ihr erklärt es wäre nur „divers“ oder ein leerer Geschlechtseintrag möglich. Die Person wollte jedoch den Wechsel von „weiblich“ zu „männlich“ vornehmen. Da die Person nicht länger mit dem „falschen“ Geschlecht geführt werden wollte, änderte sie den Eintrag in „divers“. Als die Person sich von mir beraten ließ wurde deutlich, dass es falsch war und sie begehrte eine Korrektur nur wenige Wochen später. Das Standesamt weigerte sich jedoch, diesmal müsse ein Attest vorgelegt werden mit einer konkreten Diagnose und von einem speziellen Facharzt. Der Fall landet vor Gericht und wird nun verhandelt.
Kurios: Wie schnell ein Standesamt in wenigen Wochen das Gesetz neu interpretiert
Fall 2:
In Hessen änderte eine Frau mit transgeschlechtlichem Hintergrund ihren Geschlechtseintrag. Die Frau war so happy, dass sie sich bei der wohlwollenden Standesbeamtin mit Blumen bedankte. Die Standesbeamtin freute sich gemeinsam mit der Frau (es war der erste Fall mit Trans*-Beteiligung) und wünschte ihr alles Gute. Ein paar Wochen später kommt eine weitere Person mit dem geforderten Attest zum selben Standesamt, sogar zu der selben Standesbeamtin, doch dieses Mal wird die Beurkundung nicht durchgeführt. Das Attest reicht nicht aus, es muss konkretisiert und von einem Facharzt ausgestellt werden.
Kurios: Ungleichbehandlung. In kürzester Zeit wird ein Gesetz neu interpretiert. Bei Person A lief alles einwandfrei, bei Person B erfolgt die Ablehnung.
Fall 3:
Eine Stadt in NRW hat die Personenstandsändrung für eine transgeschlechtliche Person durchgeführt. Wenige Wochen nach Durchführung erhält die Person die Mitteilung, dass das Verfahren an das nächste Amtsgericht gegeben wird um ein Berichtigungsverfahren einzuleiten. Die Person sei nicht berechtigt gewesen das Gesetz zu nutzen. Es müsse nun rückabgewickelt werden.
Fall 4:
Die Email einer Standesbeamtin aus NRW erreicht den Bundesverband Trans*. Eine Beschwerde darüber weshalb der BVT* ein falsches „Infoblatt“ verbreiten würde. Wenn der BVT* schon Informationen verbreitet, dann soll doch bitte korrekt darüber aufgeklärt werden, dass nur „divers“ und die Streichung des Geschlechtseintrags möglich sei. Das „Infoblatt“ stellte sich letztendlich als Auszug aus der Webseite des BVT* heraus. Ich habe der Dame höflich geantwortet und die entsprechenden Unterlagen inkl. Gesetzesbegründung geliefert, aus der hervorging, dass neben „männlich“ und „weiblich“ ZUSÄTZLICH auch „divers“ oder die Streichung möglich ist. Es stehen also insgesamt vier Optionen zur Auswahl. Eine Antwort der Dame blieb aus.
Kurios: selbst Standesämter sind nicht in der Lage den Willen des BMI zu erkennen und sind unsicher
Fall 5:
Ein Amtsgericht in NRW bittet ein Standesamt um Mitteilung
ob dem Anliegen der antragstellenden Person nach dem Inkrafttreten der Neuregelung in § 45b PStG nunmehr – bei Vorliegen der entsprechenden Nachweise gern. § 45 b Abs. 3 PStG – entsprochen wird.
Das Standesamt bestätigt die Änderung, der Fall wird beim Amtsgericht geschlossen.
Kurios: Das Standesamt fordert eine Entscheidung des Amtsgerichts. Das Amtsgericht bittet das Standesamt um Änderung und Stellungnahme. Das Standesamt ändert das Geburtenregister. Fall erledigt.